CLARA SAUER
Lost - 48 Hours Artfestival Interview mit Clara Cremer & Sven Sauer
Ein weiterer Berliner Kulturort muss Platz für den Immobilienmarkt machen. Zum letzten Mal öffnet somit die Willner Brauerei ihre Türen vom 15. - 17.12.2017 für »Lost - 48 Hours Artfestival. Denise im Interview mit Kuratorin Clara Cremer und Künstler Sven Sauer.
Wie kam es zur Kooperation mit »THE DARK ROOMS Exhibition, »ENTER ART FOUNDATION und »PRIEST AND PRAWNS?
Nachdem feststand, dass die Willner Brauerei Ende des Jahres verkauft wird, haben sich die jetzigen Pächter, aufgrund unser vorherigen Ausstellungen »Labyrinth of Lies und »The Dark Rooms an uns gewendet. Sie haben uns gefragt, ob wir nicht eine Closingparty mit einer Ausstellung kombinieren wollen. Wir entwickelten die ersten Ideen zu »Lost - eine Ausstellung, die die Möglichkeit bietet, das gesamte Gelände zu bespielen und den Besuchern Zugang zu allen Räumlichkeiten der Brauerei zu gewähren. Zu diesem Zeitpunkt war uns noch nicht klar, wie riesig das Gelände tatsächlich ist. Schließlich sind es 3000 qm, die bespielt und erfahrbar gemacht werden sollen. In den Folgemonaten wurde immer deutlicher, dass wir diese Ausstellung nur mit Partnern zusammen schaffen konnten.
Als erstes kamen die Berliner Ausstellungsmacher »ENTER ART FOUNDATION und »PRIESTS AND PRAWNS zu unserem Team dazu. Später folgte das »Kaos-Kollektiv und die Berliner Independent-Streaming-Plattform »Behind the Tree mit ihren 48-Stunden-Kino. Die Ausstellung bekam somit immer stärker Festivalcharakter - das ARTfestival war geboren.
Dürft ihr schon verraten, welche Labels euch elektronischen Support geben?
Das Berliner Label »Bipolar und das Klub-kollektiv »Jonny Knüppel bespielen drei Clubs auf dem Gelände. Zusammen mit dem »Kaos-Kollektiv verwandeln sie das Areal in einen leuchtenden Kristall-Wald. Das wird beeindruckend aussehen.
»Lost - 48h Artfestival nennt sich eure Veranstaltung, bei der ihr euch sehr kritischen Themen widmet: Lost Society, Lost Humans und Lost Control. Was sind neben der Schließung eure Beweggründe?
Wir wollten Berlin als Ort der Suche nach Erfüllung und dem oft damit verbundenen Exzess von „Zuständen des Verloren Seins“, was manche als Berliner Freiheit verstehen, greifbar machen. Einer der wichtigsten Punkte ist natürlich der Verlust einer weiteren Off-Location in Berlin. Künstler verlieren immer mehr Arbeits - und Ausstellungsflächen, um dem Immobilienmarkt Platz zu machen.
Ist das Artfestival als künstlerischer Protest gegen die Schließung und Verdrängung der Künstler zu sehen?
Nein so würden wir das nicht sehen. Das Art Festival ist primär ein Zelebrieren der Willner Brauerei als Kulturstätte. Mit 160 Künstlern, ganz im Stile Berlins, mit Musik und Kunst - ein Exzess des Schönen und der Künste. Natürlich möchten wir darauf hinweisen, dass durch Verkäufe dieser Art ein großer Verlust für die kreative Szene einher geht. Aber »Lost soll kein Protest sein - eher ein Weckruf. Für die teilnehmenden Künstler ist »Lost ein Symbol, um Berlin zu zeigen: „ Das verpasst Ihr in Zukunft! “
Mit dieser Dimension an Künstlern und Ausstellungsfläche führen wir Berlin noch einmal vor, was die Stadt bei der jetzigen Entwicklung schon in wenigen Jahren nicht mehr haben wird.
Es wird zwei Tage lang nonstop Programm geben mit 80 Künstlern und Musikern. Wie lange habt ihr für die Umsetzung von »Lost gebraucht?
Inzwischen sind es schon 160 Künstler und Musiker ;-) Die Planung startete Ende Mai - also ein gutes halbes Jahr. Ein ziemlich knappes Zeitfenster für ein Festival mit dem Ausmaß - aber der Zeitrahmen wird uns ja durch den Verkauf und die Schließung diktiert… es wird gelingen. Trotz der Zeitknappheit.
Das »Lost - 48h Artfestival findet auf 3000 qm statt, wie kann ein so großes und zweitägiges Event kostenlos sein?
Mir (Clara) als Kuratorin ist es wichtig allen Menschen, egal welches Einkommen oder welches finanzielle Standing jemand hat, Kunst als Erfahrung zugänglich zu machen. Das was wir zeigen möchten, soll gesehen werden.
Wir möchten die „Möglich Macher - Kultur“ in Berlin fördern und wir genießen es, dass wir so viele Künstler ermutigen können Teil dessen zu sein. Es ist schön zu sehen, wie freiwillige Helfer das Festival zu ihrem Event machen. Diese Dynamik ist berauschend.
Die Willner Brauerei zählt zu einer der letzten Off-Locations für Kunstschaffende im Zentrum Berlins, welche Auswirkungen wird/kann die Schließung für die Berliner Kunstszene haben?
Es ist ein weiterer Fleck Berlin, der für die Kunstszene stirbt. Wir können nur hoffen, dass das Festival zeigt, wie stark das Interesse an solchen Events ist und vor allem der „Macher-Geist“ der Kreativen Berlins gefüttert wird, um neues entstehen zu lassen.
Warum werden die Verträge nicht verlängert? Und was genau hat der Immobilienmarkt mit dem Gelände vor?
Das Gelände der ehemaligen Willner Brauerei wurde von der Nicolas Berggruen Holdings GmbH an die Jenn Grundbesitz GmbH & Co. KG verkauft. Der neue Eigentümer will bereits Anfang 2018 mit Sanierungsarbeiten beginnen. Es sollen Büros, Ateliers und Handelsflächen entstehen.
Wir wissen, dass der neue Investor mehr geboten hat, als das die WBB hätte anbieten können, da sie die Brauerei bewusst immer für Künstler und Ausstellungsmacher zur Verfügung gestellt haben, statt es kommerziell auszuschlachten.
Man sagt, wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Wie geht es für Künstler der Willner Brauerei weiter und wird der Klub der Republik woanders eröffnen?
Der KdR bleibt für das nächste Jahr bestehen. Ebenso wie der Biergarten. Die Künstler und Handwerker, die jetzt im WBB gearbeitet haben, müssen sich alle neue Räume suchen… Etwa 30 bis 40 Personen betrifft das, in 19 Ateliers.
Sind weitere Projekte oder Kollaborationen geplant?
Es ist geplant, auch 2018 ein Art Festival in einer weiteren Off-Location zu machen, die geschlossen werden soll. Bitterer Weise befürchten wir, dass uns die Locations nicht ausgehen werden. Aber still und leise sollen sie nicht gehen. Kein Gefühl der Machtlosigkeit. Das ist unser Ziel.
Was macht für euch Berlin aus?
Wir haben Berlin als Macher-Stadt erlebt. Wir haben all ihre verschrobenen Partys genossen, die Personen außerhalb dieser Stadt nicht nachvollziehen können. Nun liegt es an uns, ihr etwas zurück zu geben. Das macht für uns diese Stadt aus.